Der Tag bleibt schwierig

Jahreshauptversammlung mit Ansprachen und Ehrungen

Ein weiteres Jahr ist vergangen und das Problem ist immer noch da. Nach den Worten von Wehrführer Jens Ramge hat es sich noch vergrößert – inklusive eines traurigen Rekords. Die Rede ist von der sogenannten Tageseinsatzstärke, also den Brandschützern die ausrücken können, wenn während des klassischen Tätigkeitsfensters der meisten Arbeitnehmer die Feuerwehr alarmiert wird.
In seinem Jahresbericht auf der Hauptversammlung der Blauröcke am vergangenen Freitag wies Ramge einmal mehr eindringlich auf eine drohende Sicherheitslücke hin und nahm Politik wie Verwaltung in die Pflicht. Aktuell können tagsüber nur rund 12 bis 15 Personen regelmäßig Einsätze in Seeheim fahren, in den Ortsteilen sinkt diese Zahl ebenfalls. Deswegen werde laut Ramge ein Kompensieren immer schwieriger. Zudem haben fünf Einsatzkräfte im zurückliegenden Jahr ihre Anstellung bei der Gemeindeverwaltung Seeheim-Jugenheim aufgegeben – der angesprochene, „traurige Rekord“, wie Ramge den Vorgang nennt. „Nicht weniger traurig ist die Tatsache, dass wir bereits seit Jahren auf das Problem Tageseinsatzbereitschaft aufmerksam machen, ohne dass sich auch nur irgendein kleines Rädchen im politischen System bewegt“, sagt der Wehrführer. Mit Öffentlichkeitsarbeit, Mitgliederwerbung und viel Engagement im Nachwuchsbereich täten die Feuerwehren in Seeheim-Jugenheim seit langer Zeit alles, um hier etwas zu verbessern oder zumindest zu stabilisieren. Ohne eine verantwortungsbewusste Unterstützung von Politik und Verwaltung sehen sich die Brandschützer jedoch auf verlorenem Posten. Ramge kritisierte hier auch die Personalpolitik der Gemeinde und warf den Beteiligten Lippenbekenntnisse, Ideenlosigkeit und mangelnde Kritikfähigkeit vor.

Darauf reagierte in ihren Grußworten Birgit Kannegießer von der SPD-Fraktion in der Gemeindevertretung, die Ramge und seinem Stellvertreter Patrick Keim ein gemeinsames Treffen mit den Fraktionsspitzen anbot, um über alles zu sprechen, was zwischen Feuerwehr und Kommunalpolitik Kritik oder Spannungen auslöse. Man müsse miteinander statt übereinander reden, so der Tenor Kannegießers, eine Aussprache sei dringend nötig. Derzeit laufen die Abstimmungen zu einem gemeinsamen Termin für einen Runden Tisch.

Mit Kritik sparte auch Gemeindebrandinspektor Stefan Katzer bei seinen Worten an die Versammlung nicht, ihm ging es allerdings um teils widersinnige Corona-Schutzverordnungen von Land und Kreis. Während der Pandemie und noch bis vor wenigen Wochen war die Ausbildung im Feuerwehrhaus teils über einen langen Zeitraum komplett untersagt, Einsatzkräfte durften den Stützpunkt nur bei einer Alarmierung betreten. „Feuerwehr lebt vom Üben und Trainieren, anders sind die komplexen Abläufe gar nicht im Ernstfall anwendbar“, sagte der gemeindliche Feuerwehrchef, „teils durften Fußball-Kindergruppen ganz normal trainieren und wir wurden währenddessen aus unserem Gerätehaus ausgesperrt, das kann nicht sein.“ Ihm pflichtete Bürgermeister Alexander Kreissl bei, der davon sprach, dass man teils gerade erst Auslegungshinweise für Corona-Regeln erarbeitet habe, als schon wieder neue kamen und die vorherigen hinfällig machten.
Resultat des Banns über der Feuerwehr waren knapp 50 Prozent weniger Ausbildungsdienste in 2021 sowie einige abgesagte Lehrgänge, weswegen Katzer auch nach eigener Aussage so wenig Übernahmen und Beförderungen wie noch nie auf dem Pult hatte.

Insgesamt war die Seeheimer Wehr im letzten Jahr 153 mal im Einsatz, unter anderem bei Unwetter und Starkregen im alten Ortskern, bei einem Dachstuhlbrand des Hauses Krone in Jugenheim sowie bei der Waldbrandkatastrophe in Griechenland. Die Projekt der Sanierung des Stützpunkts in der Philipp-März-Straße ist laut Ramge im Herbst etwas ins Stocken geraten, befinde sich mit Stand Jahresende aber voll im Kostenplan.

Großen Applaus und vollste Zustimung spendete die Versammlung Kurt, genannt Theo Reckling, der nach Jahrzehnten im Musikzug der Feuerwehr Seeheim auf Antrag von Stabführer Thomas Hartmann in die Ehren- und Altersabteilung übernommen wurde. Zudem erhielt er aus den Händen von Kreisstabführer Reiner Walter das Ehrenzeichen für Feuerwehrmusiker in Gold mit Kranz für 50 Jahre Engagement.

Hartmann berichtete von einem pandemie-geprägten Jahr für den Musikzug, der auch mehrfach vom Betretungsverbot des Feuerwehrhauses betroffen war. Online gemeinsam zu musizieren habe man versucht, sei aber an der Latenzzeit, also der Verzögerung bei den unterschiedlichen Qualitäten der Datenübertragung, gescheitert. Kleine Highlights waren zwei Auftritte bei der improvisierten Kneipenkerb in Seeheim im August sowie das Spielen von Weihnachtsliedern an verschiedenen Stellen im Ort zur Adventszeit. Derzeit läuft der Probenbetrieb mit Hygienekonzept wieder weitgehend regulär.

Vereinsvorsitzender Marco Krolzyk stellte in seinem Bericht fest, dass alle für 2021 geplanten Veranstaltungen – darunter der Sebastiansmarkt mit den Landfrauen, die Kerb oder der Dämmerschoppen, Corona zum Opfer gefallen waren. Nun plant man für 30. April einen „Dämmerschoppen in den Mai“ am Gerätehaus auszurichten. Schwerpunkte der Vereinsarbeit waren Investitionen in den Brandschutz sowie in die Jugendarbeit.

Nach über 50 Jahren als Feuerwehrmusiker wurde Kurt, genannt Theo Reckling in die Ehren- und Altersabteilung übernommen.
Vereinsvorsitzender Marco Krolzyk beim Vortrag seines Jahresberichts.

Bilderverzeichnis:

  • Jahreshauptversammlung 2022 – Übernahme Theo Reckling: FF Seeheim/Matthias Weißmann
  • Jahreshauptversammlung 2022 – Bericht Marco Krolzyk: FF Seeheim/Matthias Weißmann
  • Jahreshauptversammlung 2022 – Ehrung Patrick Keim: FF Seeheim/Matthias Weißmann